Willkommen

Herzlich Willkommen auf dieser Welt

In dieser Gesellschaft

Du wirst es hier lieben

Keine Grenzen, keine Horizonte sind deinem Leben gesetzt

Deine Entscheidungen, Dein Leben, nur Du

Oder vielleicht doch nicht?

Vielleicht doch lieber Regeln, Gesetze

Formen, Konturen

Klar darfst Du sein, wer Du willst, wie Du willst

Aber bitte nur auf die richtige Art, die richtige Weise

So, dass es auch niemanden stört

Keine Sorge

Wir machen es dir auch ganz leicht, wir zeigen dir den Weg, wie es richtig geht

Kindergarten

Schule

Sei nett, aber nicht zu nett

Finde Freunde, aber bitte die Richtigen

Und ja nicht zu viele, das wirkt irgendwie ein bisschen oberflächlich

Oh und sei schlau, sei gut genug, dass aus dir auch etwas wird

Aber zu gut? Gott nein, du machst dich unbeliebt

 

Und dann wirst du älter, veränderst dich

Merkst, dass du das alles gar nicht willst

Die Formen sind zu eng

Konturen verfolgen dich wie Schatten

Nehmen dir das Licht, dass du brauchst, um zu wachsen

Wie der große Baum der kleinen Blume

Und klar wir sind im Wald

Natürlich stehen die Bäume schon länger hier

Haben größere Kronen

Und trotzdem sind da ganz viele kleine Blumen

Kleine Pflanzen

Die sich trotz der vielen Bäume an die Oberfläche bahnen

Ihren eigenen Platz finden zwischen all diesen Riesen

All diesen Bäumen, die sie da eigentlich gar nicht wollen

Und sind das nicht genau diese Blumen, genau diese Pflanzen, die wir bewundern?

Die wir so schön finden, so einzigartig, dass wir sogar stehen bleiben

Vielleicht sogar kurz innehalten, ein Foto machen,

die Erinnerung an diese einsame, kleine Blume noch lange behalten

 

Und so ist es doch auch mit uns Menschen

Wieso nicht die Formen sprengen

Konturen verwischen

Vielleicht auch mal eine Regel brechen

Sein, wer wir sein wollen,

Wie wir sein wollen

 

Also doch

Willkommen

Herzlich Willkommen

Auf dieser Welt

In dieser Gesellschaft

Und ja, ich hoffe, du wirst es hier lieben

Deine eigenen Grenzen und Horizonte

Sei, wer du willst, wie du willst

Aber diesmal bitte wirklich

Louisa Koch, Q1

Meine endliche Langeweile (2024)

Und so fing es an: schon beim Betreten der S-Bahn bemerke ich, dass ich meine Kopfhörer vergessen habe. Musik hilft mir beim Entspannen und dabei, Zeit totzuschlagen. Mich schaudert es allein schon beim Gedanken, dass ich die nächsten Augenblicke meines Lebens ohne Ablenkung verbringen muss. Ich suche einen Sitzplatz; um mich herum ist niemand. Ich bin fast allein, nur ich und das schrille Geräusch der Bahn. Als sie gerade in den Untergrund fährt, schüttelt es mich. Es wird dunkel, in wenigen Sekunden würden die Lichter angehen. Drei Minuten sind bisher vergangen, die ersten Gedanken jagen mir wieder hinterher, sie schießen durch mit durch, schnell, obwohl es nur in meinem Kopf ist, habe ich das Gefühl, sie würden Geräusche machen.

Sie zischen, sind anstrengend. Bekomme ich wieder Kopfschmerzen? Allein wenn ich schon daran denken muss: Facharbeit-Abgabe in drei Wochen, immer noch keinen Ansatz gefunden; Mathe-Klausur in zwei Wochen, muss noch lernen, bin so aufgeregt; Geschichtsklausur in einer Woche, wie war das nochmal mit der sozialen Frage? Mein Geburtstag steht an, eigentlich ein Moment der Freude, wieso nur verspüre ich keine? Wie komme ich jetzt auf einen klaren Gedanken? Kopfkino, schon wieder. Diesmal von der Beerdigung. Mann, wieso habe ich mich damals so komisch benommen? War aber auch meine erste. Fast ein Jahr ist es schon her, dass sie von uns gegangen ist. Vermisse ich zu wenig? Bin ich nicht traurig genug? Was sind das für Gedanken? Ich muss mich konzentrieren; das liegt alles schon längst hinter mir. Was Einfaches… Ah, stimmt, der Film, den ich zu Ende gucken möchte. Worum ging es da nochmal? Ich sorge mich um alles, aber auch nichts. Warum zur Hölle bin ich immer so müde? Nach der Schule bin ich so erschöpft, als wäre ich einen Marathon gelaufen, wie soll das in Zukunft weitergehen? Ach Zukunft, ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mich nicht fürchten würde. Warum bin ich manchmal so gestresst? Eigentlich läuft doch alles so gut. Verschließe ich mich vor meinem eigenen Glück? Wird es eigentlich irgendwann besser, irgendwann vielleicht? Oft habe ich das Gefühl, als ob alles um mich herum zerbrechen würde. Es ist so heiß, elendig. Wieso habe ich ausgerechnet jetzt meine Kopfhörer vergessen?

Das Licht geht an, endlich! Es strahlt und pikst in den Augen, es sind nur wenige Sekunden vergangen, wieso ist es so anstrengend? Wieso kann ich mich nicht einfach langweilen?

Philipp Schober, Q1